hörtest
mit dem Charakter und der Auflösung
eines Kondensatormikrofons. In jedem
Fall bereichern sie das Sphere DSP-System
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um zwei interessante Farbmo-delle,
die sich vermutlich für die Ab-nahme
eines Gitarrenverstärkers mit
dem L22 Mikrofon besonders eignen.
Gegenüber einer vollanalogen Auf-nahmebedingung
hat das Sphere L22
System natürlich auch seine Nach-teile.
Mit rund 3 ms Roundtrip bei
96 kHz war die vorliegende native
Roundtrip-Laufzeit schon sehr ge-ringfügig.
Aber selbst bei noch ver-besserten
Laufzeiten innerhalb eines
UAD2 Apollo-Interfaces werden sich
Sänger trotzdem immer anders wahr-nehmen,
als sie es mit analogem Di-rekt-
Monitoring gewohnt sind. Beim
Einspielen von Instrumenten fällt die
Latenz kaum ins Gewicht, für Sänger
ist sie nicht zu verachten. Da abso-lut
latenzfreies, vollanaloges Monito-ring
aber heutzutage nicht mehr die
Regel darstellt, lassen wir an dieser
Stelle ‚die Kirche im Dorf‘. Schließ-lich
ist das, was Sphere und andere
anspruchsvolle Simulationen an Mög-lichkeiten
bieten, ohne digitale Si-gnalverarbeitung
nicht möglich. Da
das Sphere L22 Mikrofon analog auf-gebaut
ist, kann es in der Praxis na-türlich
trotzdem latenzfrei abgehört
werden, wenn ein analoger Signalab-griff
vor der Digitalisierung möglich
ist. Der Sänger kann dann aber natür-lich
nicht in ein von der Sphere DSP
simuliertes U47 mit VF12 Röhre sin-gen.
Beim Neumann U47 kann er im-mer
mit der Klangfarbe des Mikro-fons
‚spielen‘. Ein weiterer Praxisvor-teil
eines originalen Neumann U47
Mikrofons ist, dass es in gewohnter
Weise mit einem beliebigen einkana-ligen
Vorverstärker in einer einkana-ligen
analogen Aufnahmekette funk-tioniert.
Man benötigt für das Sphere
Mikrofonsystem auch immer die dop-pelte
Anzahl an Vorverstärkern, Out-board,
Wandlern und Spuren. Analo-ges
Filtern und Komprimieren sowie
‚Fahren‘ einer Tonaufnahme sind mit
dem Sphere L22 System dadurch in
der Praxis erschwert umsetzbar. Prak-tisch
ist das System dadurch eher in
der digitalen Welt zuhause, mit den
Vorteilen von Total Recall und nicht-destruktiven
Prozessen. Benötigt der
Sänger einen Kompressor, um sich
besser hören zu können, wird dies
in der Praxis am ehesten mit einem
Plug-In bewerkstelligt. Dann bietet ein
Apollo System natürlich weitreichende
Vorzüge, denn mehrere UAD-2 Plug-
Ins können während der Aufnahme in-nerhalb
der DSP-Mischkonsole kombi-niert
werden, ohne zusätzliche Lauf-zeiten
zu erzeugen.
Bis zum Sommer 2017 sollen übrigens
mit Erscheinen der nächsten Soft-ware-
Revision noch zwei weitere Mo-delle
hinzukommen, Vorbilder sind
hier ein Sony C800G und Telefunken
ELA M 251.
Fazit
Das Sphere Microphone-Modeling Sys-tem
ist in seinen DSP Möglichkeiten
und auch seiner Simulation einfach
nur faszinierend – Townsend Labs hat
damit einen Meilenstein gelegt! Ne-ben
dem herausragenden Kernmerk-mal
von Sphere, verschiedene Mikro-fonmodelle
auf Mausklick authentisch
nach einer Aufnahme auswählen und
in Ruhe ausprobieren zu können, bie-tet
Sphere vielfältig einsetzbare Be-arbeitungsprozesse,
wie variable und
weitreichende Anpassung der Richt-charakteristik
nach der Aufnahme, die
eine bisher nicht dagewesene Flexi-bilität
in der Nachbearbeitung und
Mischphase mit sich bringt. Auch mit
der simulierten Achsenverschiebung
des Frequenzbereichs können Farb-spiele
erreicht werden, die eine Auf-nahme
oder Passage ‚entschärfen‘
oder eben erst in den richtigen Fo-kus
bringen können. Der Vertrieb-spartner
in Deutschland ist die Firma
S.E.A. Vertrieb & Consulting GmbH,
die das Sphere L22 Mikrofonsystem
mit rund 1.500 Euro netto listet. Zu
diesem Preis ist es auf der Straße in-klusive
der Mehrwertsteuer erhält-lich.
Das ist richtig preiswert und für
Projektstudiobetreiber und reisen-de
Produzenten und Musiker ist die-ses
Mikrofonsimulationssystem ide-al
geeignet, denn sie verfügen mei-stens
über ein geeignetes zweikana-liges
Aufnahmesystem und arbeiten
in der Regel innerhalb des Compu-ters
mit Plug-Ins. Aber auch für grö-ßere
Studiobetriebe ist die Anschaf-fung
lohnenswert, denn kein anderes
System bietet derzeit diese Möglich-keiten
und die Qualität in der Nach-bildung
eines Neumann U47. Wer
selber hören möchte, wie nah die Si-mulation
reicht: Townsend Labs hat
bereits im August WAV-Dateien eines
Vergleichstests von Sphere und U47
anhand der Sprechstimme von Chris
Townsend veröffentlicht. Dort wur-de
bislang auch noch nicht verra-ten,
welches Mikrofon sich hinter ‚A‘
und ‚B‘ der Tonaufnahmen verbirgt.
Und vermutlich sind auch die ande-ren
Mikrofonmodelle ähnlich authen-tisch,
was jedoch nicht durch eigene
Hörtests bestätigt werden kann. Sie
klingen durchweg hochwertig und
degradieren den Klang in keiner Wei-se.
Sie bieten verschiedene Farben,
wie es auch verschiedene Mikrofone
bieten können. Beispielsweise klingt
die C12 Simulation so wunderschön
offen und glänzend in den Höhen,
wie man es von einem Original er-warten
würde. Alleine schon für die-se
beiden Klassiker würde sich der
Kauf lohnen. Sphere gehört zu den
wohl spannendsten Entwicklungen
der letzten Jahre: Einfach großartig!