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würde ich nicht mit einem guten Gefühl woanders ma-chen 14 | 15 können. Aus diesem Grund sind Mastering-Inge-nieure auch eher stationäre Wesen, da sie ihre Refe-renzumgebung brauchen, anders als Aufnahme- oder Mischingenieure, deren Geschäftsbasis oft auf Mobilität angelegt ist. Darauf basiert auch die vielerorts zu erle-bende feste Partnerschaft zwischen Toningenieur und Mastering-Ingenieur. Letzterem kann man vertrauen, dass er die ‚Hörfehler‘ einer unbekannten Regie aus-gleicht und natürlich auch die Arbeit seines Partners versteht. Wir Mastering-Ingenieure sind wie kein ande-rer auf die Zuverlässigkeit dessen angewiesen, was wir hören, da wir oft nur sehr feine Eingriffe vornehmen, um eine großartige Produktion noch ein wenig groß-artiger zu machen. Bei einer Überprüfung würde sich ganz sicher herausstellen, dass der Hörapparat eines ‚Normalhörers‘ nicht besser oder schlechter als der eines Mastering-Ingenieurs ist. Der Unterschied liegt im persönlichen ‚Hörwörterbuch‘ oder der ‚Hördatenbank‘, die man sich mit viel Übung über eine längere Zeit an-legen kann. Es kommt darauf an, sich auf die richtigen Dinge zu konzentrieren, sie innerhalb kürzester Zeit zu qualifizieren- und zu quantifizieren und zu wissen, wo-rauf man überhaupt hören muss. Es bedarf großer Kon-zentration, um bestimmte Details ausfindig machen zu können und manche hört man auch erst, wenn man sich nicht mehr konzentriert. Das ist alles gute Gründe, einen Mastering-Ingenieur in eine Produktion einzube-ziehen, der sie mit seinen trainierten Ohren zum ersten Mal hört, wenn sie fertig gemischt ist. Der richtige Fokus Vor vielen Jahren, als ich in diesem Beruf begann, ar-beitete ich hart daran, zu lernen in Frequenzen zu den-ken. Das war in der Retrospektive auch die Zeit, in der ich in erster Linie Fehler korrigiert habe, immer von ei-ner gewissen Angst begleitet, ich würde unter Umstän-den etwas aus den Händen geben, das von anderen als ‚falsch‘ kritisiert werden könnte. Im kreativen Pro-zess des Musikmachens ebenso wie beim Aufnehmen, Mischen und Mastern gibt es aber kein absolutes ‚rich-tig‘ oder ‚falsch‘. Man wird nie erleben, ohne jeden Zweifel sicher zu sein, dass das, was man tut, abso-lut richtig ist. Man kann nur hoffen, dass die Mehrheit der Hörer sich besser mit der Musik verbunden fühlt. Nichts in der Musik ist perfekt und alles ist vollständig subjektiv. Ich fand das heraus, als mein Fokus zu sehr auf Zahlen gerichtet war und ich ständig daran dach-mastering te, ob ich nicht vielleicht doch zu viel 250 Hz angeho-ben habe. In dieser Zeit ignorierte ich sehr viel von dem eigentlichen Charakter der Musik, die ich bearbeitete. Manchmal ist es eben die Unzulänglichkeit, die Musik interessant macht. Ich entdeckte über die Jahre, wie ich die Werkzeuge, die mir zur Verfügung standen, einset-zen konnte, damit sich die Musik gut anfühlt, während ich natürlich trotzdem ‚technisch korrekt‘ arbeitete. Das ist das eigentlich Wesentliche. Man kann nicht erwarten, ein gutes Ergebnis zu erzielen, wenn man analoge und digitale Regeln nicht beherzigt. Es gibt zu viele Stel-len, an denen etwas schief gehen kann und es passiert schnell, dass man während der Bearbeitung den Klang zerstört. Heute höre ich zu und finde heraus, was mich an einer Musik interessiert und was man deutlicher hö-ren möchte, um davon gefesselt zu werden. Das ist fast immer das, was auch der Mastering-Kunde hören will. Schlussgedanken Ich bin kein Freund dramatischer Eingriffe. Wenn da-durch ein deutlich besseres Ergebnis erzielt werden kann, ist das natürlich großartig. Meine Erfahrung ist je-doch, dass Mischungen, die drastische Maßnahmen er-fordern, nur bis zu einem bestimmten Grad verbessert werden können. Man kann einiges dafür tun, den Klang weniger schlecht zu machen, aber er wird niemals so gut wie bei einer gelungenen Mischung sein. Der er-folgreichere Weg ist immer, etwas Gutes noch besser machen zu können. Ich glaube, dass die meisten Ma-stering- Ingenieure so denken. Es ist keine Frage des Fleißes oder des Willens, sondern der Einstellung zu diesem Beruf. Etwas grundsätzlich Falsches kann durch Mastering nicht gut werden. Man kann Probleme mas-kieren, aber nicht beseitigen, weil das in der Produkti-on selbst hätte erfolgen müssen. Das betrifft vor allem Phasenprobleme, gegen die man im Mastering meistens machtlos ist. Man kann davon ablenken, aber nichts re-parieren. Irgendetwas wird dadurch aus der Balance ge-raten. Ich glaube nicht, dass es auch in der ferneren Zukunft einen vollwertigen Ersatz für analoges Equipment ge-ben wird, insbesondere, wenn ich an den kreativen Teil des Mastering-Prozesses denke. Rein technisch gesehen kann man Mastering auch jetzt schon komplett digital abwickeln, und manchmal mag das Ergebnis auch exakt den Erwartungen entsprechen. Aber mein Herz und mein Gefühl sagen mir, dass es keine digitale Lösung für Far-be, Nähe und Wärme gibt…


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