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längeren Ansprechzeit arbeiten würde und in etwa propor-tional zur Lautheit des Signals angelegt ist. Diese Steuer-spannung überlagert in einem stufenlosen Mischverhält-nis die durch die Zeitkonstantenregler eingestellte Steuer-spannung und führt so zu einer programmadaptiven An-passung der Zeitkonstanten. Eine Spezialität des Gerätes ist die Sonderfunktion des Expanders, den man auch auf-wärtsregelnd einstellen kann. Normalerweise schwächt der Expander ein Signal ab, sobald es unter den eingestellten Schwellwert oder Arbeitspunkt fällt, was mit dem U796 natürlich möglich ist. Die Aufwärtsexpander-Funktion be-wirkt jedoch das genaue Gegenteil, in dem es das Signal hochregelt, sobald es unter das Arbeitspunktniveau fällt. Auf diese Weise lassen sich leise Passagen, die in der Mi-schung noch absaufen, auf dynamische Weise aus dem Keller holen, sogar mit einem einstellbaren Maximalwert, der in keinem Fall überschritten wird. Zumeist sind 2 oder 3 dB schon ausreichend, um die Präsenz leiser Passagen hörbarer zu machen. Sie sehen also, dass der U796 weit über das normale Maß hinaus Funktionalitäten bietet, die man selten so geballt in einem Kompressordesign fin-den kann. Allerdings muss man sich beim Feintuning der in Abhängigkeit zueinander stehenden Sonderfunktionen mächtig zur Decke strecken, bevor man Basiseinstellungen gefunden hat, auf die man programmbezogen aufbau-en kann. Es ist ein Expertengerät, das eine genaue Kennt-nis der Vorgänge in einem Kompressor erfordert, komplett ohne Preset-Unterstützung. Wenn man den Dreh allerdings heraus hat, gibt es fast nichts, was man mit diesem Kom-pressor nicht machen könnte. Sobald er sich im Signal-weg befindet, rückt der Mix einen Schritt nach vorne, mit einer Regeleleganz, die sich auch schon bei kleinem Hub durchsetzt. Mit etwas Feintuning lassen sich Lautheitsge-winne zwischen 6 und 10 dB erzielen, ohne dass man ei-nen Kompressor regeln hören könnte und ohne dass das Signal an die Wand gefahren oder verformt klingen würde. Die Integrität der Originaldynamik und Transientenstruk-tur bleibt praktisch vollständig erhalten. So etwas kann man nur von ganz wenigen Dynamikprozessoren behaup-ten. Noch eine ganze Ecke spannender wird es, wenn man den Sidechain-EQ einsetzt, der wie ein vollwertiger para-metrischer Entzerrer zu bedienen ist und den Kompres-sor für bestimmte Frequenzbereiche in bestimmter Gü-te mehr oder weniger empfindlich macht. Mit dieser Er-gänzung lassen sich auch Mischungen retten, die in be-stimmten Passagen unangenehme Färbungen annehmen. Die Kombination von Envelope, Crest, Parallelkompressi-on, Langzeitintegration, Aufwärtsexpander und Sidechain- EQ liefert Ergebnisse, die wirklich allererste Sahne sind. Seit dieses Funktionspaket bei mir im Einsatz ist, habe ich keine Wünsche mehr. Man braucht wirklich nichts anderes, denn neben dem Regelverhalten ist auch die tonale Quali-tät von bestechender Schönheit. Obwohl meine Erfahrung mir sagt, dass digitale Kompressoren ein Niveau erreicht haben, das fast keine analoge Alternative mehr zulässt, fehlt mir bei digitalen Kompressoren doch immer wieder das Runde und Warme, das der U796 praktisch unaufge-fordert liefert. Dennoch gibt es auch Fälle, in denen ich den Multibandkompressor in meinem System 6000 vorzie-he, da er unausgeglichene Mischungen praktisch schon in einer etwas modifizierten Standardeinstellung (meistens in Verbindung mit M/S-Betrieb) geradezieht. Beides zur Verfügung zu haben, ist natürlich der absolute Luxus, den ich wirklich zu schätzen weiß. Am Schluss meiner Signal-kette sitzt ohnehin der 6000er Brickwall-Limiter, mit dem ich Intersample-Peaks sicher abfangen und mit einem de-finierten Spitzenpegel arbeiten kann. Oft ist es sogar die Kombination aus U796, den ich in moderatem Umfang ein paar Rundungen erzeugen lasse, und Multiband-Kompres-sor, wenn eine Breitbandregelung nicht zum gewünsch-ten Ziel führt. In den meisten Fällen geht es dann jedoch um Arbeitsgeschwindigkeit ohne absolut hohe Ansprüche. Wenn die Zeit es erlaubt, erziele ich mit dem U796 immer die ‚schöneren‘ Ergebnisse. Im Klangparadies Bei Equalizern habe ich eigentlich eine ganz klare Vor-stellung: Reparaturen auf der digitalen Ebene, Klangde-sign ausschließlich analog. Es hat lange gedauert, bis ich alles beisammen hatte, was mich in dieser Hinsicht glücklich macht. Den charmanten SPL Passeq, der wun-derschöne Höhen und warme Tiefen liefert, den erstaun-lichen Solid Tube Audio 50s EQ, mit dem ich mich traue, Frequenzen massiv anzuheben, die ich sonst nie anfas-sen würde und seit neuestem eben auch den W796 mit Erweiterungsmodul W788. Beides zusammen bietet mir acht parametrische Bänder, die mein bisheriges EQ-In-strumentarium perfekt ergänzen. Das Stichwort heißt hier Wien-Robinson-Brücke. Diese Schaltung kommt in seinem klanglichen Verhalten einem passiven EQ sehr nahe, al-lerdings mit dem Vorteil eines aktiven Designs, das große und vor allem unabhängige Stellbereiche für Frequenz, Fil-tergüte und Verstärkung bereitstellt. Die acht Bänder sind so gewählt, dass trotz fester Frequenzen jeder Bereich ge-zielt erfasst werden kann. Die Wien-Brücke klingt warm, aber dennoch präzise und hat einen überragenden mu-sikalischen Charakter. Tiefen bleiben fest und konturiert,


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