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4 | 5 Reparaturwerkstatt? Fritz Fey Chefredakteur Studio Magazin editorial So, wie der Aufnahme-Ingenieur abhängig von der Qualität und dem Talent der Musiker ist, hängt es auch für den Ma-stering- Ingenieur davon ab, mit welcher Begabung und Er-fahrung der Misch-Ingenieur zu Werke gegangen ist. Man-gelndes Talent lässt sich nur schwerlich ausgleichen, und so muss eine Mischung sehr gut sein, damit der Mastering- Ingenieur eine Chance hat, seine eigentliche Aufgabe erfolg-reich wahrnehmen zu können. In den Beiträgen dieser Aus-gabe des Studio eMagazins werden Sie einige Kommentare zu diesem Themenkreis entdecken, die einhellig vorausset-zen, dass man eine schlechte Mischung nicht reparieren, sondern allenfalls maskieren kann. Je mehr Menschen sich aus Begeisterung in das Abenteuer Studiotechnik oder Pro-duktion stürzen, desto größer wird auch die Bandbreite der Qualität. Folgerichtig sehen sich die Mastering-Studios die-ses Planeten mit steigender Tendenz in der Situation, ei-ne Mischung mäßiger Qualität auf ein ‚professionelles‘ oder zumindest annehmbares Niveau heben zu müssen. Damit wird das Mastering-Studio zur Reparaturwerkstatt, die ge-zwungen ist, misslungene Mischungen oder mangelhafte Abhörsituationen zu ‚flicken‘. Die eigentliche Aufgabe des Mastering-Ingenieurs ist jedoch, exzellente Arbeiten kunst-voll zu inszenieren, in ein schönes Licht zu rücken und den Spannungsbogen eines kompletten Albums herauszu-arbeiten beziehungsweise zu unterstützen. Dass das Ma-stering- Studio auch die Instanz ist, die dem Presswerk ei-ne technisch einwandfreie Arbeit übergibt, mit ISRC- oder PQ-Codes, einer formatgerechten Auflösung und Abtastrate und korrektem Pegel, sei nur am Rande erwähnt, denn die-se Dinge haben nichts mit Talent, sondern eher mit Sorgfalt zu tun. Inzwischen ist das Stereoformat nicht mehr allein, und dementsprechend stellen Mehrkanal-Format-Produkti-onen auch höhere Anforderungen an alle Beteiligten. Der künstlerische Aspekt des Masterings bleibt davon jedoch unberührt und jedes Studio wird mit der Zeit DEN Maste-ring- Ingenieur finden, dem es bedingungslos vertraut. Es ist ein elementarer Aspekt der Mastering-Arbeit, jede Art von Musik richtig zu verstehen, ihre Qualität herauszustellen und die Emotionalität zu verstärken, wann immer der tech-nische Eingriff mit Bearbeitungswerkzeugen dazu geeignet erscheint. Was wir auf der Produktionsseite erleben, gilt ge-nauso für die Gilde der Mastering-Studios: Immer mehr En-thusiasten, oft begleitet von grenzenloser Selbstüberschät-zung, fühlen sich und ihren mit ein paar Plug-Ins ausgestat-teten Laptop berufen, als Mastering-Studio aufzutreten. Ob-wohl es nicht in erster Linie darauf ankommt, mit welchem Equipment man arbeitet, sondern mit welchem Hörtalent man ausgestattet ist, schlägt aber auch hier der Hammer des Preisverfalls wie in allen anderen Abschnitten der Pro-duktionskette gnadenlos zu. So genanntes Mastering wird heute zu Preisen angeboten, die die Menschenwürde an sich in Frage stellen. Wenn man hinter die Kulissen dieses Preisgefüges blickt, weiß man natürlich auch sofort, warum sich die Dinge so ungünstig entwickeln. Ein professionelles Mastering-Studio, das auf höchstem Niveau arbeiten möch-te, wird mit erheblichen Investitionen in Raumakustik, Laut-sprecher, Wandler und analoge wie digitale Bearbeitungs-werkzeuge belastet und kann daher unmöglich für 300 Euro am Tag arbeiten. Ich würde es von einem potentiellen Ma-stering- Kunden sogar als respektlos und unverschämt be-zeichnen, überhaupt den Versuch zu unternehmen, auf die-ses Preisniveau hin zu verhandeln, wenngleich dies nicht ein exklusives Problem der Mastering-Studios darstellt, sondern, immer wieder erschreckenderweise, auf die Stu-diolandschaft generell zutrifft. Wenn der Mastering-Kunde dann auch noch ein mangelhaftes Tonwerk anliefert, stellt sich die Frage nach dem Preis für dessen ‚Rettung‘ umso mehr. Die Qualität unserer Mastering-Studios ist schließlich einer der entscheidenden Faktoren für das Niveau der Mu-sik, auf dem sie an die Ohren ihrer Liebhaber gelangt. Da muss doch zumindest der Stundenlohn eines ‚Dachdecker-betriebs‘ zugrunde gelegt werden können…


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