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hintergrund Friedemann Kootz: Dazu kommt, dass die Qualitätsein- bußen von den Kunden durch die in den letzten Jah- ren immer anspruchsvoller gewordene Heimtechnik deut- licher wahrgenommen werden als früher. Florian Camerer: Ja, wir haben sogar überlegt, ob in den Distributions-Richtlinien eine Empfehlung zur Dämpfung des CD-Player Eingangs ausgesprochen werden soll, di- es ist nun auch tatsächlich der Fall. Die Hyperkompres- sion trägt im Musikbereich die schlimmsten Blüten und deshalb müssten die Ausgänge eines CD-Players eben- falls, wenn auch nur grob, in den Bereich von -23 LUFS verschoben werden, damit der Sprung beim Wechsel des Wiedergabemediums nicht mehr so krass ist. Die Ent- wicklung darf natürlich auch nicht beim Broadcastbereich stehen bleiben. Es ist in der Popmusik inzwischen ei- ne so extreme Situation entstanden, in der sich eigent- lich alle Beteiligten, vom Tonmeister bis zum Künstler, der Problematik bewusst sind. Und trotzdem scheint es bei den Verantwortlichen eine so starke Angst davor zu geben, leiser als das Konkurrenzprodukt zu sein, dass sich immer noch nichts getan hat. Ein Konzept wie un- seres muss auf diese Entwicklung einwirken. Als ersten gonnen. Die Entwicklung baute damals zum Teil auf den Schritt versuchen wir, mit der Firma Apple in Kontakt zu Grundlagen von Eberhard Zwicker und Klaus Wagner auf. treten; iTunes ist ja der weitestverbreitete Musikdown- Zu diesem Zeitpunkt etablierte sich gerade das Privatfern- loadservice, und da gibt es ja auch ein Lautheitstool na- sehen in Deutschland und war prompt lauter als die öf- mens ‚Soundcheck’, welches allerdings nicht mit dem fentlich-rechtlichen Sender. Wir haben unsere Erkenntnisse ITU-1770-Algorithmus arbeitet und auch nicht per default dann in eine Darstellung umgesetzt, die wir in die Skalen eingeschaltet ist. Eine Änderung in Soundcheck wäre ein unserer Pegelinstrumente integriert haben, ohne dabei al- großer Schritt, das Lautheitskonzept auch im Musikbe- lerdings eine eigene Einheit für die Loudnessmessung zu reich prominent zu platzieren. definieren. Das Ziel dabei war natürlich kein endgültiger Standard, sondern ein erstes Angebot – verbunden mit der Friedemann Kootz: Man kann nur hoffen, dass es zu ei- Hoffnung auf Rückmeldungen und Verbesserungsvorschlä- ner Kettenreaktion kommt. Wenn das Fernsehen bereit ge, die aber leider nicht kamen. Zwar wurde das System ist, sich lückenlos und konsequent auf die Loudness- zum Teil durchaus genutzt, aber es wurde nicht hinterfragt. Normalisierung einzulassen, können die Radiosender ei- Inzwischen ist die negative Entwicklung der Dynamik und gentlich nicht tatenlos zusehen, weil die Kunden natür- der Loudness so weit fortgeschritten, dass die Zeit einfach lich auch einen neuen Anspruch entwickeln. Und wenn reif für eine einheitliche Lösung war. Durch die vielen ver- das Radio seine Gewohnheiten ändert, können sich auch schiedenen Distributionswege kommen so viele Probleme die Produzenten der Musik nicht mehr gegen eine ‚Wie- zusammen, dass die Konsumenten es inzwischen auch ein- derentdeckung‘ der Dynamik wehren. fach leid sind, die Lautstärkesprünge hinzunehmen. Eine zunehmende Anzahl an Beschwerden führt langfristig na- Mike Kahsnitz: Das muss auch ganz klar in den Vorder- türlich auch zu Reaktionen in den Entscheidungsgremien. grund gestellt werden. Die Loudness-Normalisierung al- lein ist ein großer Schritt, aber das Entscheidende ist es, Florian Camerer: Es wurde sozusagen ein Threshold er- sie als Werkzeug zu nutzen, um wieder eine größere Dy- reicht. Gleichzeitig kamen die Empfehlungen der ITU und namik zu erreichen. Die aktuelle Popmusik hat faktisch endlich wurde allen klar, dass etwas getan werden musste. keine Dynamik mehr. 18 | 19


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